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Coronavirus in Bologna - zwischen Hysterie und Krisenmanagement

,,Ausnahmezustand in Norditalien‘‘, ,,Corona-Epidemie in Italien‘‘, ,,Norditalien: Städte abgeriegelt, Karneval abgesagt‘'. Wer die Schlagzeilen der letzten Wochen in Deutschland liest, denkt wahrscheinlich, dass ich mich zurzeit in einem höchst gefährlichen Land befinde, einem Land im Ausnahmezustand. Vor dem inneren Auge meiner Familie und Freunde ist Bologna womöglich menschenleer, die Produkte in den Supermärkten ausverkauft und niemand traut sich einen Schritt vor die Haustür zu setzen. Doch die Realität sieht anders aus.


Natürlich sind die Menschen durch den Coronavirus in ihrem Alltag eingeschränkt. Am Mittwoch gab die italienische Regierung bekannt alle Universitäten und Schulen in Italien vorerst bis zum 15. März zu schließen. Online-Kurse sollen die fehlenden Stunden ausgleichen. Zudem sind alle Clubs geschlossen, öffentliche Veranstaltungen wurden abgesagt.


Das hat Auswirkungen auf eine Stadt wie Bologna, die von Studierenden lebt. Viele italienische Studierende sind aus der Kleinstadt geflohen, nutzen die unifreie Zeit, um ihre Familien zu besuchen. Die Straßen sind leerer geworden. Vereinzelt spazieren auch Menschen mit Mundschutz durch die Stadt. Trotzdem hat Bologna seinen Charme nicht verloren.


Mittwochabend, Piazza Verdi, Bologna. Obwohl die Temperaturen es eigentlich noch gar nicht zulassen draußen zu sitzen, ist der große Platz im Herzen Bolognas gefüllt mit Studierenden. Mit einem Aperol Spritz oder einem Kaffee sitzen sie auf den Bordsteinen des Platzes und genießen die letzten Sonnenstrahlen. Von einer Krisenstimmung ist hier nichts zu spüren. Auch die nahliegenden Bars sind voll von Menschen.



Ich komme mit Italienern und Italienerinnen ins Gespräch. ,,Natürlich gibt es auch Italiener, die Angst vor dem Virus haben”, berichtet mir meine Freundin Sara, die in Bologna lebt und arbeitet. ,,Schon seit zwei Wochen habe ich eine Erkältung. Viele meiner Kollegen haben mich deshalb schief angesehen. Sie fragten mich, wieso ich nicht zuhause bleiben würde, denn schließlich könnte ich doch auch den Coronavirus haben‘‘. Die meisten Italiener und Italienerinnen, die sie kenne, seien jedoch überhaupt nicht ängstlich in Bezug auf den Virus. Sie seien vorsichtig, aber wollen sich auch nicht einschränken lassen.


Auch meine italienische Friseurin scheint entspannt mit der Situation umzugehen. Sie kann die Panik vor dem Coronavirus nicht verstehen. ,,Die Maßnahmen der italienischen Regierung sind sehr übertrieben. Ich bin einfach nur noch genervt davon‘‘. Denn aufgrund des Virus würden ihrer Meinung nach viel weniger Touristen in die Stadt kommen. Dieser Annahme ist auch meine Freundin Sara. Sie arbeitet in einem Büro, welches Kurse für Lehrer aus dem Ausland anbietet. ,,Viele der Kurse werden gecancelt. Die Menschen wollen nicht mehr nach Italien reisen‘‘. Das rege sie auf, denn in anderen Ländern gebe es auch Infizierte. ,,Das norditalienische Gesundheitssystem ist nur einfach viel bedachter darauf die Menschen auf den Virus zu testen‘‘, sagt Sara. Aus diesem Grund gebe es ihrer Meinung nach auch viel mehr Fälle.


Auch meine Freunde und ich sind langsam etwas genervt von der Situation. Ständig bekomme ich neue Mitteilungen und Anrufe über die gefährliche Situation in Italien. Zudem wurde der Flug einer Freundin, die mich im April besuchen wollte, gecancelt. Auch meine restlichen Besucher scheinen nicht mehr ganz überzeugt zu seien, ob eine Reise nach Norditalien für sie im Moment Sinn mache. Das verstehe ich. Es ist schwer das Risiko einzuschätzen. Aus diesem Grund sollte Vorsicht geboten sein, aber Panik muss auch in Italien nicht entstehen.


Vorort ist es nicht anders als in Deutschland. Auch hier kann man auf die Straße gehen. Natürlich sollte man sich seine Hände gründlich waschen und desinfizieren. Zudem ist es ratsam Großveranstaltungen zu meiden. Doch Panik und Angst ist zumindest in Bologna nicht zu spüren. Offiziell sind hier nur wenige Fälle bekannt, genauere Zahlen lassen sich aber nicht finden. Italien scheint die Situation bzw. das Krisenmanagement unter Kontrolle zu haben. Die Regierung mag zwar strikt vorgehen, die italienische Bevölkerung wirkt dadurch aber beruhigt.


Im Gegensatz zur deutschen. Diese scheint in Panik zu sein. Trotzdem werden Deutsche, die aus Norditalien anreisen, nicht auf Corona getestet. Bei einem Freund aus Berlin wurde nicht einmal Fieber gemessen. Das ist aus meiner Perspektive unverständlich.


,,Dann lass uns dem Coronavirus einfach trotzen” sagt mein Mitbewohner entschieden zu mir. Und so genießen wir unsere Zeit in einem der wunderschönsten Länder der Welt. Ich kann mir nichts besseres vorstellen. Und unifreie Tage sind schließlich auch nicht schlecht, vor allem in einem Erasmussemester.

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